| Das Berthold -  SakramentarGlanzstück der  deutschen Romanik
 New York, Pierpont  Morgan Library, Ms M.710, Weingarten, zwischen 1200 und 1232
 
 CODICES  SELECTI, Vol. C
 
 
  Mit  Berthold von Hainburg wurde im Jahre 1200 in Weingarten ein Mann zum Abt  bestellt, der die Geschicke des Konvents nachhaltig prägen und das Kloster zum  glanzvollen Höhepunkt seiner Geschichte führen sollte. Bertholds größtes Verdienst liegt in der uneingeschränkten Förderung der  künstlerischen Aktivitäten seines Skriptoriums, das nach dem verheerenden Feuer  von 1215, bei dem ein Großteil der Abtei eingeäschert worden war, eine  ungeahnte Produktivität entfaltete. In dieser Zeit sorgte der Abt nicht nur für  den raschen Wiederaufbau des Klosters, er beauftragte auch zahlreiche  Handschriften, die in ihrer Ausstattung höchste künstlerische Qualität  aufweisen. Der prächtigste Codex unter ihnen war das Berthold - Sakramentar.
 
 
 Das Skriptorium des Klosters Weingarten               Die im Jahre 1053 auf  dem Martinsberg oberhalb von Ravensburg gegründete Benediktinerabtei Weingarten  verfügte bereits um 1100 über ein eigenständiges, leistungsfähiges Skriptorium. Die besondere und in weitem Umkreis singuläre Eigenart der Weingartener  Buchmalerei des 12. Jahrhunderts liegt im häufigen Auftreten angelsächsischer  und flämischer Stilelemente. Dies ist nicht verwunderlich, hatte doch im Jahre  1094 Judith von Flandern, die Gemahlin Herzog Welfs IV. und Schwägerin des  englischen Königs, ihrem Hauskloster etliche Codices gestiftet. Auf der  Ausstattung dieser Handschriften baute das Weingartener Skriptorium seine  eigene Produktion auf und erreichte innerhalb weniger Jahrzehnte ein  bemerkenswertes Niveau.
 Ihre Blütezeit erlebte die Weingartener Buchmalerei jedoch in den ersten  Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts - und sie verdankt sie einer glücklichen  Fügung: Mit Abt Berthold, dem ehrgeizigen, kunstsinnigen Vorsteher des  Klosters, und dem sog. Berthold-Meister, einem überragenden Miniator, trafen  zwei Persönlichkeiten aufeinander, von denen jeder für die Verwirklichung  seiner Pläne des anderen bedurfte: Der Abt forderte außergewöhnliche  künstlerische Leistungen, um den Ruf des Klosters zu mehren, der Maler  benötigte für die Entfaltung seines unvergleichlichen Talents die materiellen  Voraussetzungen und weitgehende Freiheit.
 Aus diesem kongenialen Zusammenspiel entstanden Buchmalereien, die zu den  schönsten ihres Genres gehören.
 Der Meister des Berthold - Sakramentars               Obwohl ihm nur vier Handschriften (mit  insgesamt immerhin 92 Miniaturen) sicher zuzuweisen sind, gilt der Berthold-Meister  als eine der eigenständigsten und bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der  mittelalterlichen Buchmalerei.Eindringliche dramatische Gestaltung des szenischen Geschehens, eine durch  modellierenden Farbauftrag erzielte neue Plastizität und eine unerschöpfliche  dekorative Kraft zeichnen die Miniaturen dieses anonym gebliebenen Malers, der  nach seinem Auftraggeber -Berthold-Meister- genannt wird, aus. Hinzu kommt ein  für das beginnende 13. Jahrhundert ungewöhnlich selbstständiger Umgang mit  überkommenen Traditionen. Die aus der besonderen historischen Situation des  Klosters und seiner Verbindung mit den Welfen erklärbaren Einflüsse der  angelsächsischen und flämischen Buchmalerei dienen dem Berthold-Meister  lediglich als Quellen der Inspiration, aus denen er - mit einer  außergewöhnlichen Beherrschung technischer und formaler Mittel - seinen  eigenen, ganz persönlichen Stil entwickelt.
 In der Verschmelzung von Inhalt und dekorativem Ornament zu einem einheitlichen  Ganzen und im hochausgebildeten Sinn des Künstlers für Stil und Form, die in  seinem Hauptwerk, dem Berthold-Sakramentar, jeder Seite abzulesen sind, findet  das romanische Kunstwollen seine reinste Ausprägung.
 
 Der Weg der Handschrift in die Pierpont Morgan  Library               Das Berthold -  Sakramentar ist unbestritten das Hauptwerk der Weingartener Malerschule und  wurde in der Abtei über Jahrhunderte hinweg als „thesaurus“, als kostbares  Besitztum wie ein Schatz gehütet.Erst mit der Säkularisierung im Jahre 1803 musste es den Ort seiner Entstehung  verlassen. Gemeinsam mit anderen wertvollen Stücken aus der Bibliothek und der  Schatzkammer gelangte die Handschrift zunächst nach Fulda und schließlich (nach  der Besetzung Fuldas durch französische Truppen im Oktober 1806) nach Paris.  Dort wurde der Codex 1818 von einem Kunsthändler an Thomas Coke, Earl of  Leicester in Holkham Hall verkauft, von dem sie im Jahre 1927 in den Besitz des  amerikanischen Bankiers John Pierpont Morgan jr. überging.
 In der Pierpont Morgan Library/New York, zu deren wertvollsten Zimelien es gehört,  hat das Berthold -Sakramentar seine (wohl endgültige) Heimat gefunden.
 Eine Welthandschrift               Es sind weltweit nur  sehr wenige Codices, die aus der relativ großen mittelalterlichen Produktion  qualitativ hochstehender Handschriften gleichsam als Solitäre herausragen - zu  diesen wenigen gehört das Berthold -Sakramentar.Die von Abt Berthold wahrscheinlich unmittelbar nach dem großen Brand von 1215,  bei dem unter anderem auch die Klosterbibliothek schwer zu Schaden gekommen  war, in Auftrag gegebene Prachthandschrift steht in formaler und materieller  Hinsicht weit über allen vergleichbaren liturgischen Büchern der Spätromanik.
 Die sensationelle Ausstattung               21 ganzseitige  Miniaturen, 7 Historienbilder, 6 ganzseitige, 12 halbseitige und 52 kleinere  ornamentierte Initialen, 18 figürliche Initialen und 12 Kalendertafeln bilden  den Buchschmuck der insgesamt 165 Pergamentblätter. Zu dieser Quantität der  Bilder kommt ihre außergewöhnliche Qualität. In ihnen erweist sich der  namentlich unbekannte Miniator, der mit dem Notnamen -Berthold-Meister- in die  Kunstgeschichte eingegangen ist, als Künstler ersten Ranges. Seine Bedeutung  lässt sich in beinahe allen Bereichen des künstlerischen Ausdrucks erkennen:  Mit der Betonung der organischen Struktur und der Zusammenfassung der  Einzelteile zu einem einheitlichen Ganzen überwindet er den starren, hölzernen  Figurenaufbau; seine ausdrucksstarken, modellierenden Pinselstriche und die  häufig gesetzten Glanzlichter verleihen den Körpern zusätzliche plastische  Werte; die dynamischen Drehbewegungen dienen der dramatischen Belebung des  szenischen Geschehens und schaffen räumliche Beziehungen; die wohlüberlegte  Farbigkeit verstärkt die dekorative Wirkung.Eine der größten Leistungen des Berthold-Meisters liegt jedoch in der freien  Interpretation der ihm vorgegebenen Themen, der Eigenständigkeit seiner  ikonographischen Lösungen. Wie alle Künstler dieser Zeit schöpft auch er aus  der reichen Überlieferung biblischer Themen vor allem in byzantinischen und –  für die Weingartener Buchmalerei besonders vorbildlich - angelsächsischen und  flämischen Handschriften. Wie kein anderer jedoch befreit er sich von  oberflächlichen Zitaten, indem er Inhalt und Form zu einer untrennbaren Einheit  zusammenführt. Hierin und in der Perfektion der malerischen Umsetzung kommt dem  Berthold-Meister ein unschätzbares Verdienst zu.
 Kostbare Edelmetalle für eine edle Handschrift  Zum hohen künstlerischen Rang des Berthold -  Sakramentars tritt durch die verschwenderische Verwendung von Edelmetallen ein  nicht unbeträchtlicher materieller Wert. Sämtliche Miniaturen und ein Großteil  der Initialen sind mit Gold und Silber hinterlegt, was den Farben eine  besondere Strahlkraft verleiht.
 Glanzpoliertes Gold mit erhabenen Verzierungen               Doch wer in dieser  großzügigen Anwendung metallischer Farben bereits den Höhepunkt einer  luxuriösen Ausstattung vor sich zu haben meint, wird im Berthold - Sakramentar  mit einer weiteren Steigerung überrascht: Bei insgesamt 32 Miniaturen und  Initialen sind die Goldgründe hochpoliert; bei sechs Bildern sind die goldenen  Hintergründe in einem technisch aufwendigen Verfahren zusätzlich mit deutlich  erhöhten Reliefs verziert. Diese höchste Stufe dekorativer Pracht hat der  Berthold-Meister - in künstlerischer Besonnenheit und Selbstbeschränkung - den  Darstellungen zu den Hauptfesten des Kirchenjahres und des Klosters  vorbehalten.Über aller Begeisterung, die man der künstlerischen Ausstattung des Codex  entgegenbringen muss, darf der Inhalt, die zentrale Rolle des liturgischen  Textes, nicht außer Acht gelassen werden. Mit Messkanon, Temporale, Sanktorale  und zahlreichen Votivmessen umfasst die Handschrift die für Sakramentare  kanonische Textauswahl. Die von insgesamt drei Schreibern verfasste  Niederschrift entspricht in ihrer kalligraphischen Perfektion der Qualität des  Bildschmucks und verbindet sich mit diesem zu einem Gesamtkunstwerk, das in der  Geschichte der Buchmalerei seinesgleichen sucht.
 Als größter Schatz der Abtei Weingarten erhielt das Berthold - Sakramentar  schließlich einen mit vergoldeten Silberreliefs und Filigranschmuck verzierten  und mit Edelsteinen besetzten Prachteinband, dessen reiches ikonographisches  Programm einen direkten Bezug zum Kloster und zum Auftraggeber, Abt Berthold,  herstellt. Diesen Einband - und dies ist ein weiteres Rarissimum innerhalb der  Buchgeschichte - hat die Handschrift bis zum heutigen Tag im Originalzustand  bewahrt.
 
 Das Faksimile
 
 Entstehungszeit: zwischen 1200 und 1232, Abtei Weingarten.
 Faksimile: Graz 1995. Vollständige farbige Faksimile-Ausgabe aller 330 Seiten  (165 fol.) im Originalformat von 293 x 204 mm. 128 Seiten mit prächtigen  Illustrationen und Ornamentierung, aufwendig mit Gold (z.T. Echtgoldauflagen)  und Silber ausgestattet. 28 Historienbilder, 88 ornamentale, teils ganzseitige  sowie einige figurale Initialen und 12 Kalendertafeln. Einband: Leder mit  Silberbeschlägen. Alle Blätter sind originalgetreu randbeschnitten.
 Kommentarband: Hg. v. Felix Heinzer, Stuttgart, und Hans Ulrich Rudolf,  Weingarten, unter Mitarbeit zahlreicher Fachwissenschaftler.
 Faksimile in einer Leinenkassette mit ledernem Kantenschutz.
 
 Limitierte Auflage: 280 nummerierte Exemplare.
 
 Einzelpreis: EUR  12.500,00
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