| Das Flämische Stundenbuch der Maria von  MediciFeinste Buchmalerei in einem Gewand aus Silber, Samt  und SeideOxford,  Bodleian Library,
 Ms. Douce 112
 Ein Meisterwerk flämischer  Buchkunst
 
 Bis ins letzte Detail liebevoll ausgestattete Interieurs, Landschaften, die  sich bis zum Horizont erstrecken, Streublumenbordüren mit täuschend echt  wiedergegebenen Blüten und Insekten - das sind nur einige der malerischen  Errungenschaften, die die flämische Buchkunst des 15. und 16. Jahrhunderts  kennzeichnen. Ein ganz besonders schönes Beispiel dieser künstlerischen  Vollendung ist das Flämische Stundenbuch der Maria  von Medici: mit drei gemäldeartigen Vollbildern und 42 ganzseitigen  Miniaturen, historisierten oder goldenen Initialen sowie flämisch und  italienisch inspirierten Blumen- oder Architekturbordüren auf jeder Textseite  ist das Stundenbuch mit 176 Blatt im Format von ca. 20,4 × 13,7 cm Seite  für Seite ungewöhnlich reich ausgestattet. Dem Reichtum und der Schönheit der  Ausstattung entspricht der ganz mit Silber- und Seidenfäden bestickte  Samteinband, der ebenfalls im 16. Jahrhundert in den Niederlanden entstanden  ist.
 Der »Meister der Davidszenen im  Breviarium Grimani« - genialer Buchmaler auf dem Höhepunkt seiner Karriere
 
 
  Das Flämische Stundenbuch der Maria von Medici wurde  in den Jahren 1515 -1520 von einem heute nur unter seinem Notnamen bekannten  »Meister der Davidszenen im Breviarium Grimani« in Gent oder Brügge für eine  wohlhabende Auftraggeberin ausgeführt. Der Davidmeister gehört zu den großen  flämischen Meistern und wird in einem Atemzug mit Gerard Horenbout und Simon  Bening genannt. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Karriere und künstlerischen  Reife, als er das Flämische Stundenbuch der Maria von Medici malte,  das zu den am reichsten ausgestatteten Werken aus seinem Atelier gehört.
 In allen  seinen Miniaturen spürt der Betrachter die Freude des Buchmalers am Geschichten  Erzählen und an der Inszenierung von Menschen im Raum. Dynamische Kompositionen  und leuchtende Farbzusammenstellungen kennzeichnen seinen Stil. Ein  hervorstechendes Merkmal seiner Kunst ist außerdem die Liebe zur Architektur:  mit großer Detailtreue entwirft der Meister Ansichten von Plätzen und  Straßenzügen, lässt uns in spätgotische Kirchenbauten, Atelierräume und private  Gemächer blicken.
 Um möglichst  viele Geschichten im Bild erzählen zu können und nicht nur das vorgegebene  Thema der Hauptminiatur zu illustrieren, schafft der Davidmeister durch  raffinierte architektonische Konstruktionen aus Hauptbild und Bordürenfeld  einen einheitlich wirkenden Bildraum. Wie Genreszenen gestaltet er dort weitere  biblische oder legendarische Erzählungen, die er in Bezug zur Hauptminiatur  setzt.
 
  »Einen  Besteller oder eine Bestellerin des Oxforder Buches kennen wir nicht; doch wird  der Band mit seinem ungeheuren Bilderreichtum in hohen Kreisen zirkuliert  haben. Ausgerechnet Maria von Medici, die Gemahlin des so bewunderten Henri  Quatre soll ihn besessen haben. Wenn das stimmt, müssen die Bilder es  ausgehalten haben, neben dem Farbfeuer von Peter Paul Rubens zu bestehen, und  das werden sie vermocht haben: kaum eine Buchmalerei um 1500 macht so viel  Eindruck, kaum eine fasziniert durch den Sinn für das Detail, das ja auch den  großen Rubens immer wieder in den Bann schlug, so überzeugend.« (Prof. Dr. Eberhard König - Freie  Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut)
 Die Gent-Brügger Schule:  Einzigartige Hochblüte in der Spätzeit der europäischen Buchmalerei
 
 In ganz Europa waren die Handschriften der Gent-Brügger Schule bewundert und  begehrt. Alle kulturellen Metropolen wurden mit ihren prachtvoll ausgestatteten  Stundenbüchern beliefert - und das zu einer Zeit, in der das gedruckte Buch  bereits seinen Siegeszug angetreten hatte. Allmählich ging die  Handschriftenproduktion in immer mehr der einst führenden Zentren der  Buchmalerei zurück. Einzig im burgundisch geprägten Flandern begann für  Jahrzehnte eine neue - die letzte - große Blüte der Buchmalerei, die auch über  ihre eigenen geographischen Grenzen hinaus in ganz Europa große Berühmtheit  erlangte.
 Mit der  perfekten Beherrschung der räumlichen Darstellungsweise werden aus  zweidimensionalen Buchseiten perspektivische Bildräume, die uns mitten ins  Innere der Häuser oder in die Weiten der Landschaft führen. Dazu kommt der  spezifisch niederländische Realismus der Darstellung, den die Buchmaler trotz  des kleinen Formats ebenso gut wie die berühmten Meister der  altniederländischen Tafelmalerei beherrschten.
 Der enorme  Bildbedarf förderte zudem die Kreativität der Buchmaler, die sich in immer  neuen ikonographischen und kompositionellen Schöpfungen zu übertrumpfen  suchten. Mit dem neuen Bordürentypus, der Blumenblüten und Insekten auf die  Seitenränder streut, eröffnete sich ein ganzes Spektrum von trompe l’oeil-Spielereien, dessen Reiz sich der Betrachter  kaum entziehen kann.
 Das Stundenbuch  der beliebteste  Buchtypus des Mittelalters
 
 
  Als um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert die Herstellung von Büchern für  die private Andacht zu einer Spezialität der Gent-Brügger Buchmaler geworden  war, hat der Buchtypus Stundenbuch schon eine bald zweihundertjährige  Erfolgsgeschichte hinter sich. Die Bezeichnung Stundenbuch kommt daher, dass  bestimmte Gebete zu festgesetzten Tages- und Nachtstunden zu verrichten waren.  Zuerst diente noch der Psalter als privates Andachtsbuch. Doch wurden die darin  enthaltenen 150 Psalmen bald durch zusätzliche Texte erweitert. Zum Kernbestand  eines Stundenbuchs gehören fortan das Marienoffizium, verschiedene  Evangelienlesungen, die Passion Christi, Bußpsalmen mit Litanei, das  Totenoffizium und Heiligensuffragien. Den individuellen Text- und Bildwünschen  seitens der Auftraggeber waren aber praktisch keine Grenzen gesetzt. Flandern - Köln - England:  Spannender Weg durch die Jahrhunderte
 
 Seine heutige Bezeichnung verdankt das Stundenbuch seiner mutmaßlichen späteren  Besitzerin, der französischen Königin Maria von Medici (1573 -1642), der Witwe  des populären Königs Henri IV. Als treibende Kraft in die erfolglose  Verschwörung gegen Kardinal Richelieu verwickelt, musste Maria 1631 Frankreich  auf Weisung ihres Sohns Ludwigs XIII. verlassen und ging nach Brüssel ins Exil.  Dort mag sie die entzückende Handschrift erworben haben, ehe sie ihre letzten  Lebensjahre in Köln verbrachte, wo sie 1642 im Haus des von ihr geförderten und  sehr geschätzten Malers Peter Paul Rubens verstarb.
 Ein  englischer Eintrag auf der Innenseite des Vorderdeckels besagt, dass sie das  Stundenbuch in Köln gelassen habe. Dort kann es dann der englische  Handschriftensammler Francis Douce erworben haben. Mit seinem Nachlass  jedenfalls gelangte das Flämische Stundenbuch der Maria  von Medici 1834 in die Bestände der weltberühmten Bodleian Library  in Oxford.
 Strahlend kräftige Farben und  fein schimmernder Goldglanz
 
 Das Zusammenspiel der sorgfältig aufeinander abgestimmten strahlenden Farben in  den
  Miniaturen ihres Stundenbuchs mag Maria von Medici ebenso fasziniert haben  wie uns heutige Betrachter. Das ungewöhnlich intensiv leuchtende Pinselgold  verleiht den Seiten zusätzlich einen besonderen Reiz. Nicht nur die berühmten  flämischen Streublumenbordüren auf allen Textseiten kommen auf diesem  »goldbestäubten« Untergrund perfekt zur Geltung, auch die zum Teil mit Gold  gehöhten Gewänder und Rahmungen der Miniaturen verstärken die Wirkung des  feinen Glanzes auf allen Seiten. 
 Das Flämische Stundenbuch der Maria von Medici im Überblick
 Oxford,  Bodleian Library,
 Ms Douce 112
 
 
                
                  | Entstehungszeit:Entstehungsort:
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 Auftraggeber:
 
 | 1515/  1520Brügge  oder Gent
 ca.  20,4 x 13,7
 352  Seiten (176 Blatt)
 Stundenbuch
 Latein
 Meister  der Davidszenen im Breviarium Grimani
 unbekannt
 |                  Geschichte: Vermutlich erwirbt Maria  von Medici (1573 -1642) in der ersten Hälfte des 17. Jh. die Handschrift in  ihrem Brüsseler Exil und nimmt sie mit nach Köln. Ein Eintrag von 1813 weist  sie im Besitz des Kölner Kirchenrektors G.K. Fochem nach. Später kauft der  Londoner Handschriftensammler Francis Douce die Handschrift und stiftet sie mit  seinem Nachlass 1834 der Bodleian Library in Oxford.Die Faksimile-Edition des Flämischen Stundenbuchs der  Maria von Medici erscheint  im Herbst 2011 im Quaternio Verlag Luzern.
 
 Preis: EUR  5.980,00
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